Worte allein haben eigentlich wenig Bedeutung. Das lernt man recht schnell, wenn man sich das AHA-effektreiche Buch von Elisabeth Wehling „Politisches Framing – Wie eine Nation sich ihr Denken einredet und daraus Politik macht“ zu Gemüte führt. Einerseits erläutert sie, was grundsätzlich in unseren Köpfen passiert, wenn wir kommunizieren und wie folglich Worte und Metaphern speziell in der Politik zu Instrumenten werden. Einige wichtige Punkte möchten wir hier mit Ihnen teilen, damit Sie einen Überblick bekommen und spezielle klimarelevante Kommunikationsstrategien folglich in Ihrem Alltag anwenden können:
- In politischen Debatten sind weniger Fakten, sondern gedankliche Deutungsrahmen entscheidend, die in der kognitiven Wissenschaft „frames“ genannt werden. Sie sind es, die den Fakten erst Bedeutung verleihen.
- In Worten steckt viel mehr als wir glauben. Worte aktivieren in unserem Gehirn ganze Vorratslager abgespeicherten Wissens – zum Beispiel Bewegungsabläufe, Gefühle, Gerüche, visuelle Erinnerungen. Diese Erfahrungen verleihen den Worten erst Bedeutung.
- Frames sind immer selektiv – Manche Fakten und Realitäten werden hervorgehoben, andere werden vernachlässigt
- Fakten können besser verarbeitet werden, wenn diese in bereits aktivierte Frames passen. Ist man aber mit Informationen konfrontiert, die nicht in den Deutungsrahmen passen, reagiert das Gehirn wie ein bockiges Pferd. Es weigert sich die Informationen als Teil der Realität aufzunehmen.
- Nicht nur unsere Gedanken, auch unsere Handlungen werden über solche Frames gesteuert. Wenn man beispielsweise an die Zukunft denkt, neigt man dazu, sich eher nach vorne zu lehnen, bei der Vergangenheit verhält es sich genau umgekehrt.
- In der politischen Debatte ist jedes Wort in einen sinngebenden Frame eingebettet.
- Der Mensch glaubt, ein rationales Wesen zu sein. Aber wir treffen nie völlig faktenbezogen und rational Entscheidungen. Wir können nicht nur rein sachlich und objektiv Fakten gegeneinander abwägen. Frames bedingen unsere Entscheidungsfindung. In einer Studie wurden Probanden gefragt, ob Patienten einen Eingriff mit einer 10 prozentigen Wahrscheinlichkeit zu sterben vornehmen sollten. Alle sagten NEIN. Mit einer 90 prozentigen Überlebenschance sagten hingegen alle ja. Rein faktenbasiert sollte das Ergebnis 50/50 sein.
- Unser Denken ist nur zu etwa 2% ein bewusster Prozess. 98% findet außerhalb unserer bewussten Wahrnehmung statt.
- In politischen Debatten fällt oft auf, dass PolitikerInnen nicht auf Argumente des Gegenübers eingehen. Dies hat einen besonderen Grund. Wer sich in Debatten verteidigt oder versucht, die Argumente des Gegenübers zu entkräften, propagiert die Weltsicht des politischen Gegenübers, indem man sich in dessen Frame befindet. Denn wann immer man eine Idee verneint, aktiviert man sie in den Köpfen seiner ZuhörerInnen oder LeserInnen erneut und hat somit schon verloren. Einen Frame der politischen GegnerInnen zu negieren, bedeutet immer, ihn auch zu aktivieren. Deshalb sollte man immer aus den eigenen Frames und der eigenen Weltsicht heraus argumentieren.
- Je öfter wir Worte und Sätze hören, die bestimmte Ideen miteinander assoziieren, desto selbstverständlicher wird diese Assoziation Teil unseres alltäglichen Denkens und formt langfristig unsere Wahrnehmung. Themen, über die nicht gesprochen wird haben auf Dauer keine Überlebenschance.
- Metaphern und ihre enorm wichtige Bedeutung in der politischen Meinungsbildung:
Politische Ideen sind immer abstrakt. Sie ohne Metaphern kommunizieren zu wollen ist blauäugig.
Sie ermöglichen es genauso, bestimmte Fakten und Realitäten in den Vordergrund zu stellen und andere vom Tisch zu wischen.
Sie dienen als Säulen ideologischer Frames. Ideologie baut nämlich auf metaphorischer Wahrnehmung auf und so wird sie greifbarer.
Kein anderer sprachlicher Mechanismus kann das leisten, was Metaphern können, nämlich den Worten die Sinnhaftigkeit verleihen, die ihnen von Natur aus nicht vergönnt ist.
- Als Beispiel wie bestimmte Metaphern politisch eingesetzt werden, dient uns das Thema Steuern: Hier arbeitet man mit Begriffen wie Steuerlast, Steuerbelastung, Steuerbürde – dabei wird ausgeblendet, welchen Sinn Steuern eigentlich haben. Nämlich das Gemeinwohl zu sichern. In diesem Kontext wird auch oft auf tierische Metaphern zurückgegriffen, wie der Bürger als Melkkuh, oder die gerupfte Gans; Weitere Frames: Steuerfalle, Steuerschlupfloch, Steueroase, Steuerparadies, Steuerflucht, Steuerasyl
Was hat das mit dem Klima zu tun?
- Sowohl im Frame vom Klimawandel als auch im Frame vom Klimaschutz wird der Mensch als eigentlicher Schadensverursacher ausgeklammert.
- Klimawandel: Mit dem Begriff Klima wird das Problem des Temperaturanstiegs gedanklich in die Ferne gerückt. Der Begriff Wandel ist ähnlich abstrakt – Wandel kann gut und schlecht sein, es geht auf und ab – es verändert sich ein Zustand. Mit Klimakrise oder Klimaverschlechterung würde ein ganz anderer Sachverhalt vermittelt werden.
- Klimaschutz: Folgender Frame wird mit dieser Bezeichnung aktiviert:
1. Es gibt eine Gefahr (sie bleibt unbekannt)
2. Jemand kann Schaden nehmen (das Klima)
3. Jemand greift schützend ein (der Mensch).
Es wird aber komplett ausgeblendet, von wem die Gefahr eigentlich ausgeht. Es handelt sich um eine grandiose Fehlbesetzung. Denn das Klima ist im weiteren Sinne nicht das Opfer. Dem Klima dürfte es egal sein, was mit ihm passiert. Der Mensch wird in diesem Frame nur als schützender Held aktiviert, obwohl von ihm die Gefahr ausgeht und er auch den Schaden nimmt.
- Globale Erwärmung, Erderwärmung und Klimaerwärmung sind Spitzenreiter in der wörtlichen Fehlbesetzung. Denn Wärme ist ein durchwegs positiv besetztes Konzept. Ob emotionale Wärme oder Raumwärme, es ist positiv und demnach nicht geeignet, um auf eine solche die Menschheit bedrohende Gefahr aufmerksam zu machen. Wenn wir von Hitze oder Erhitzung sprechen, werden andere Assoziationen geweckt und wird die Wirklichkeit besser abgebildet.
- Der Begriff „Erneuerbare Energien“ ist ebenfalls irreführend. Denn keine dieser Energiequellen muss von Menschenhand erneuert werden. Sie sind ewig vorhanden und unerschöpflich. Demnach „sich erneuernd“ aber nicht „erneuerbar“. Die Endung „bar“ löst in unserem Unterbewusstsein aus, dass die Nutzung nur mit Anstrengung möglich ist.
Zusammengefasst lässt sich laut Elisabeth Wehling festhalten: „Frames haben einen ideologisch selektiven Charakter. Sie bewerten und interpretieren gesellschaftliche und politische Gegebenheiten aus einer bestimmten Weltsicht heraus. Und sind sie erst einmal in unseren Köpfen aktiviert, leiten sie unser Denken und Handeln an. […] Sprachliche Wiederholung von Frames – egal, ob sie verneint oder bejaht werden – stärkt diese in unseren Köpfen und lässt sie zunehmend zum gesellschaftlichen und politischen Common Sense werden.“