Seit dem Frühjahr 2020 befinden wir uns im globalen Krisenmodus und eines ist jetzt schon klar: Wenn der Zeitpunkt eintritt, an dem wir guten Gewissens behaupten können die Corona-Pandemie eingedämmt zu haben, dann wird die Gesellschaft nicht mehr dieselbe sein. Ein Zurück zur früheren sogenannten „Normalität“ sollte angesichts multipler globaler Krisenherausforderungen eigentlich Geschichte sein. Wir brauchen jetzt mehr als lediglich defensive ad-hoc-Maßnahmen, die nur zur Symptombehandlung dienlich sind. Wir benötigen dringendst systemische Umbrüche und innovative Zukunftsperspektiven, die unsere Gesellschaft gegenüber der Klimakrise und der Biodiversitätskrise robuster und resilienter machen. Anders als während der Finanzkrise 2008/2009, bei der wir es verabsäumt haben an systemischen Schrauben zu drehen. Es gilt die Krise als Chance für einen Wandel und Paradigmenwechsel zu verstehen und zu nutzen. Dirk Holemans vom belgischen Think-Tank Oikos und Co-Präsident der Green European Foundation beharrt auf einen Übergang von einer schlafwandelnden Gesellschaft, die sich auf Profit, Wettbewerb und Konsum konzentriert, zu einer zukunftsorientierten Gesellschaft, die das gemeinsame Wohlbefinden in den Vordergrund stellt.
Die Corona-Krise hat uns sehr deutlich vor Augen geführt wie wichtig es ist sich auf Präventionsmaßnahmen zu fokussieren. Nachsorge ist im Nachhaltigkeitskontext und in der Bearbeitung komplexer Krisen einfach zu wenig. Hier ist kein Einzelproblem-Management gefragt, sondern ein systemischer Ansatz. Ein gutes Beispiel, dass uns zeigt wie wichtig es ist auf Krisenherde möglichst früh zu reagieren, damit uns die Kontrolle nicht entgleitet, ist das exponentielle Wachstum. Sowohl bei den Corona-Infektionszahlen, als auch bei der CO2-Konzentration in unserer Atmosphäre, sehen wir wie schnell sich ein falsches Problemverständnis zur globalen Krise oder Katastrophe verselbständigen kann. Stets spielt die Natur dabei eine zentrale Rolle, denn unser Handeln hängt von natürlichen Systemen ab und es beeinflusst diese. Sie darf nicht länger als Randnotiz, statistische Größe oder Ressource abgetan werden, die auf unbestimmte Zeit je nach Belieben ausgebeutet werden kann. Es gibt keinen Planeten B. Wann, wenn nicht jetzt, ist es an der Zeit die unerbittliche Gültigkeit von Naturgesetzen anzuerkennen und die Grenzen, die uns die Natur vorgibt, zu respektieren?
Umbrüche gab es im Laufe der Geschichte immer wieder und den Menschen und deren Gesellschaften gelang es an diversen Krisen zu wachsen. Es bildeten sich neue Kommunikationsstrukturen, Netzwerke der Solidarität und kreative Wege heraus, um widrige Erfahrungen zu verarbeiten. Dabei spielt das Konzept der Resilienz eine wichtige Rolle, welches das komplexe Zusammenspiel der Krisenüberwindung und -bewältigung beschreibt. Es ist vergleichbar mit einem Immunsystem, das durch den Kontakt mit Bakterien, Viren und Schmutz lernt mit diesen Herausforderungen umzugehen. Ebenso brauchen soziale Systeme Störungen, um an diesen zu reifen und zu wachsen. Das ist aber im Zuge der Vielzahl an globalen Herausforderungen, denen wir uns momentan stellen müssen, mit Sicherheit kein Selbstläufer. Eine der wohl wichtigsten Herausforderungen, um als resiliente Gesellschaft gestärkt aus der Corona-Krise herauszukommen und die anderen Probleme gezielt anpacken zu können, ist das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen. Wir brauchen den gesellschaftlichen Zusammenhalt, denn nur gemeinsam werden wir es schaffen die so dringend notwendigen systemischen Veränderungen zu verwirklichen.