In dieser Rubrik widmen wir uns Geschichten, die über gewöhnliche Best-Practice-Beschreibungen hinausgehen. Wir wollen damit zeigen, dass erfolgreiche Klimaschutzmaßnahmen nicht nur bei der jeweiligen Maßnahme beginnen und enden, sondern einen breiteren gesellschaftlichen Nutzen mit sich bringen. Es geht uns darum Machbarkeit zu demonstrieren, indem wir das Abstrakte auf eine Handlungsebene herunterbrechen. Wir wollen Geschichten erzählen, die eine Vision haben, Mut ausstrahlen, authentisch sind und Lust machen nachgeahmt zu werden. In regelmäßigen Abständen wird die folgende Themenreihe um ein neues Erfolgsbeispiel, das eine besondere Geschichte erzählt, erweitert.
Teil 4: Sonnengarten Limberg
Worum es geht: „Das Ergebnis überzeugt“, bringt es die Leiterin der Bauverwaltung der Stadt Zell am See, Silvia Lenz, auf den Punkt. Alle 77 geförderte Mietwohnungen sind vergeben, nur noch wenige der insgesamt 121 Eigentumswohnungen sind noch frei, den Bewohner:innen gefällt ihre Siedlung und auch die alteingesessenen Bürger:innen im Umfeld haben die Vorzüge des „Sonnengarten Limberg“ längst zu schätzen gelernt. Überzeugende Argumente gibt es viele bei diesem innovativen Projekt: Auf rund 22.000 m² gibt es neben hochwertigem Wohnraum einen Nahversorger, einen Kindergarten mit vier Gruppen, Multifunktionsräume, einen Gemeinschaftsraum und eine Gemeinschaftswerkstatt, einen Musikproberaum, die Jugendlounge, ein Gästeapartment sowie allgemein zugängliche Dachterrassen. Dazu noch einen Gemeinschaftsgarten, Spielplätze, einen Ballspielplatz für Jugendliche und einen eigenen Quartiersplatz. Und das alles eingebettet in das atemberaubende Bergpanorama der Hohen Tauern.
An zwei Baukörpern wird zwei Jahre lang noch gebaut, dann ist das 2017 gestartete Projekt fertig. Der Sonnengarten Limberg verbindet nachhaltige Stadtplanung und Energieplanung und zeigt, wie innovative Energiekonzepte in Österreich umgesetzt werden können. Die Energieversorgung erfolgt zu 100% CO2 –neutral vor Ort durch ein Pelletsheizwerk und wird mittels Mikronetz (60°C) verteilt. Jeder Baukörper wurde mit einer PV Anlage ausgestattet und insgesamt werden 140kWp Sonnenstrom erzeugt, der der für den Allgemeinstrom der Wohnanlage und Gemeinschaftseinrichtungen genutzt wird und auch auch von den Wohnungen direkt bezogen werden kann. Ein ganzes Maßnahmenbündel soll das Mobilitätsverhalten in der „Siedlung der kurzen Wege“ ändern – Fahrräder, Trolleys, Scooter, E-Car-Sharing sowie Bus und Lokalbahn fördern den Ausstieg aus dem Individualverkehr. Der übliche Stellplatzschlüssel wurde zugunsten der alternativen Mobilitätslösungen reduziert. Zur Förderung des Radverkehrs wurde von der Gemeinde eine neue Geh- und Radwegunterführung errichtet und eine Bewohner:innen-Fahrradwerkstatt voll ausgestattet. Die Fahrpläne der Öffis werden zudem in den Stiegenhäusern in Echtzeit digital angezeigt.
Warum der Sonnengarten so gut wirkt
Ein großes Bauprojekt auf einem Grünbereich, mehrgeschoßiger Wohnbau, Verkehr, Lärm – alles ändert sich. Auch bei diesem innovativen Projekt gab es von Beginn an Skepsis in der Bevölkerung. Drei Faktoren sind es, die für die Leiterin der Bauverwaltung der Stadt Zell am See, Silvia Lenz das Projekt zur Erfolgsgeschichte werden ließen.
- Ziele: „Von Beginn weg haben wir die Ziele genau definiert und in allen Phasen mit den Beteiligten abgestimmt.“
- Kommunikation: „Die Bevölkerung sollte – auch schon von Beginn an – transparent eingebunden werden. Das zeigt sich jetzt auch bei einem weiteren Bauprojekt, das in die ähnliche Richtung geht. Auch dort gibt es Widerstand. Wir können jetzt auf den Sonnengarten verweisen und den Menschen, die skeptisch sind, dieses Projekt zeigen. Etwas selbst zu erleben ist enorm wichtig. Wir haben auch einen Wohnkoordinator in der Siedlung etabliert, der sich einerseits um die Bewohner:innen kümmert, andererseits aber auch nach außen wirkt. Auch die Bewohner:innen selbst kommunizieren ihre Erfahrungen.“
- Fachexpertise: „Externe Fachleute sind ein weiterer Erfolgsfaktor. Wir haben nicht nur einen Wohnkoordinator, sondern auch eine Soziologin, einen Freiraumplaner, einen Experten für Barrierefreiheit und Energieexperten eingebunden. Begleitet und dokumentiert wurde der Planungsprozess vom Salzburger Institut für Raumordnung, SIR, das auch die Qualitätssicherung, die wissenschaftliche Begleitung und die Förderabwicklungen übernommen hat.“
Wie Ihre Gemeinde diese KlimaStory nutzen kann
- Leitfaden „Wir gestalten – Nachhaltige Siedlungsprojekte“: Die Stadtgemeinde Zell am See hat im Rahmen des Projektes Sonnengarten Limberg an diesem Leitfaden für nachhaltiges und zukunftsweisendes Bauen mitgearbeitet. Porträtiert werden Best-Practice-Beispiele aus Österreich, der Schweiz und Deutschland. Außerdem wurden eine Qualitätsvereinbarung und ein innovativer Stadt- bzw. Energieplanungsprozess erarbeitet und umgesetzt.
- Exkursion: Ganz nach dem Motto „man muss nicht alles selbst erfinden“ holen sich Stadt- und Gemeindeverantwortliche Tipps beim Sonnengarten. Kommunale Vertreter:innen aus Bayern, Stuttgart und einigen österreichischen Gemeinden haben sich bereits vor Ort ein Bild gemacht.
Teil 3: Benu Village
Worum es geht: Falls sie von der 35.000 Einwohner:innen zählenden Stadt Esch-sur-Alzette in Luxemburg noch nichts gehört haben sollten, dann wird sich das heuer vermutlich ändern. Neben Novi Sad und Kaunas ist es als Kulturhauptstadt das multikulturelle Herz Europas im Jahr 2022. Mehr als 160 Projekte und 2.000 Veranstaltungen sind geplant. Das Programm steht unter dem Motto „Remix Culture“. Einen Besuch wert ist die zweitgrößte Stadt Luxemburgs aber auch aus einem anderen Grund, der den Titel „Benu Village“ trägt.
Ende 2018 öffnete das aus ausgemusterten Schiffscontainern zusammengesetzte Benu Village auf dem Parkplatz eines früheren Supermarktes. Das Zero-Waste-Gebäude besteht ausschließlich aus Abfall und Naturmaterialien. Benu Village wird derzeit erweitert und nach den Prinzipien der sozial-ökologischen Kreislaufwirtschaft zum ersten Öko-Dorf Luxemburgs ausgebaut. Beim Bau wird darauf geachtet, dass bei zukünftigem Um- oder Abbau sämtliche Bauteile separat zurückgewonnen und weitergenutzt werden können. Strom wird lokal mit gebrauchten Sonnenkollektoren und Luftrückgewinnungsturbinen produziert. Eine 20 m³ große Regenwasseranlage reduziert den Wasserverbrauch. Das Gebäude steht Dienstleistern zur Verfügung, die im Einklang mit der Benu-Charta stehen. Im Kleiderladen Benu Couture samt dazugehöriger Werkstatt werden ausschließlich gebrauchte Materialien verarbeitet und wieder verkauft. Im Benu Restaurant kümmert sich eine Behindertenwerkstatt um gerettete Lebensmittel und zeigt, wie genussvoll und fein innovative und lokale Bio-Gerichte sein können. Benu Lasa wiederum bietet sozialen Einrichtungen, privaten Personen und lokalen Künstlern und Künsterlinnen die Möglichkeit, ihre Produkte in einem modernen Rahmen anzubieten und bekannt zu machen.
Warum Benu Village so gut wirkt
Nomen est omen: Benu war in der Mythologie der alten Ägypter ein Vogel, der sich durch einen Flug in die Sonne selbst erneuert hat – er gilt als Symbol für den Kreislauf und ist auch im Logo abgebildet. Benu steht für „Be New – Sei Neu“ – ein Hinweis, dass aus Altem Neues entsteht.
Ganzheitlicher Ansatz: Sämtliche Partner, ob lokal oder extern, teilen die Benu-Werte: soziale Verantwortung, ökologische Exzellenz, lokale Produktion und Transparenz. Initiator Georges Kieffer: „Wir schaffen hier ein ganzes Dorf zum Wohlfühlen, aber nur aus Müll und mit Menschen, die es sonst schwerer haben.“
Transparenz: Schon beim Bau wurde darauf geachtet, dass auch drinsteckt, was drauf steht. Ganze 9 Schrauben wurden neu angeschafft. Benu informiert transparent in seinen Medienkanälen sowie auch in Workshops über die eingesetzten Materialien und Hintergründe.
Platz zum Mitmachen: Benu Village ist ein Ort der Partizipation und Zusammenarbeit – mitmachen kann man als Mitglied des Teams, als Uanbhängige:r, Hilfskraft, Partner, als Künstler:in oder Firma mit einer der Benu-Charta tauglichen Firmenidee.
Wie Ihre Gemeinde diese KlimaStory nutzen kann
- Lokales Engagement stärken: Benu Village wird von einem lokalen Verein ohne Gewinnziel getragen. Die Idee kommt von Pionierinnen und Pionieren rund um Initiator Georges Kieffer. Erkennen auch Sie den Wert von lokal aktiven Akteurinnen und Akteuren, unterstützen Sie diese und vermarkten Sie im Erfolgsfall gemeinsam diese Initiativen.
Teil 2: Krapoldi im Park
Worum es geht: Kasperl, Akrobatik, Clownerie, Zirkus und Straßenkunst – „Krapoldi im Park“ ist ein buntes Fest für die ganze Familie. Auch wer keine Vorstellung besucht, kann bei einem Spaziergang durch den Rapoldipark in eine fantastische Welt eintauchen: bunte Fahnen wehen im Wind, Moosgesichter schauen von Bäumen herunter, ein lebendiger Tisch geht vorbei – seinen Stuhl im Schlepptau, die Sonne scheint und überall lachende Menschen. Von 31. August bis 5. September 2021 fand das Festival heuer zum zweiten Mal statt.
Klima wird groß geschrieben: Bei der Premiere im letzten Jahr wurde das Festival bereits als „Green Event Tirol basic“ eingestuft, heuer folgte der nächste Schritt und Aufstieg. Das Klimabündnis Tirol und der Umwelt Verein Triol zertifizierten die Veranstaltung als „Green Event Tirol„. Vom Catering mit saisonalen, regionalen, fairen und Bio-Produkten über stromsparende Ton- und Lichttechnik, eine zentral gelegene Location und Mehrweggebinde bis zum Fokus bei der Beschaffung auf Regionalität, Umweltgütesiegel und gemeinnützige Betriebe. Auf Give-Aways wurde verzichtet, alle Akteur:innen wurden in unmittelbarer Nähe zum Festivalgelände untergebracht. Unter dem Motto „Umwelt-Krawall“ gab es an einem Tag am gesamten Festivalgelände eine ökologischen Erlebnismeile zu den Themen Ressourcen, Mobilität, Natur und Umwelt, Bewegung und Ernährung. Geboten wurden u.a. Vorträge wie „Gemeinsam Garteln in der Stadt“, Spiele und Workshops zu Abfallfragen, ein Fahrradcheck, eine Kleidertauschleine, ein Näh- und Repaircafe sowie Anleitungen, Tipps und Tricks von der Re-Use-Plattform ‘noamol’.
- Blogbeitrag auf klimakultur.tirol „Es werde Zirkus“
- Video-Interview mit den Clown:innen Herbert und Mimi
- Green-Event-Maßnahmen
Warum das Krapoldi-Festival so gut wirkt
Ungewohntes Terrain: Wenn Sie sich mit Ihrer Familie zu einem Zirkus-Festival aufmachen, dann wird Klimaschutz höchstwahrscheinlich nicht gleich ihre erste Assoziation sein. Muss es auch nicht. Beim Krapoldi-Festival ist es inhaltlich mit dem „Umwelt-Krawall“ und organisatorisch als Green Event gelungen, die vielfältige Ansatzpunkte im Klimaschutz niederschwellig mitzutransportieren.
Humor öffnet Herz und Hirn: Klimaschutz ist oft ein trockenes, sachliches Thema. Mit einer gehörigen Brise Spaß und Freude an der Sache, bleiben aber auch Tipps und Lösungsansätze gegen die Klimakrise wesentlich besser hängen.
Mitten in der Stadt, mitten im Grünen: Viele Festivals finden am Ortsrand statt – samt Autoanreise und riesigem Parkplatz, der gleich zu Beginn ins Auge sticht und auch das letzte ist, das man vor der Abreise wieder sieht. Das Krapoldi-Festival fand dagegen mitten in Innsbruck statt. Im Rapoldipark, der das ganze Jahr über als Treffpunkt für die ganze Familie genutzt wird. Zu Fuß, mit dem Rad oder Öffis optimal erreichbar.
Weit gefasste Zielgruppe: Wie sagt es Clown Herbert so schön: „Zirkus ist für alle da – für das Kind im Menschen“.
Wie Ihre Gemeinden diese KlimaStory nutzen kann
- Green Events: Immer mehr Veranstalter:innen achten bei der Organisation ihrer Events auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Die Initiative „Green Events Austria“ des BMK ist die ideale Plattform.
- Klima-Schwerpunkt bei Veranstaltungen: Bieten auch Sie Vereinen, Initiativen oder nachhaltigen Betrieben bei Dorf- oder Stadtfesten oder anderen Events eine Bühne für ihre klimafreundlichen Ideen, Aktivitäten und Produkte.
- Bespielen Sie öffentliche, zentral gelegene Freiräume: Setzen Sie bei der Wahl der Location für Veranstaltungen auf fußläufig, mit dem Rad und Öffis gut erreichbare Orte im Dorf- oder Stadtzentrum.
Teil 1: Das Projekt „Paris – Baden“
Worum es geht: 20 Familien aus Baden bei Wien machten im Frühjahr 2021 einen Monat lang den Praxistest. Sie haben ausprobiert, ob die Klimaziele von Paris auch schon 2021 im Badener Alltag erreichbar sind. Die Teilnehmer:innen konnten, mit Unterstützung des Klima- und Energiereferates, unterschiedliche Angebote testen, um herauszufinden, wo ihr größter Hebel in der CO2-Einsparung liegt. Sie fuhren mit dem Lastenrad, probierten das bea-Carsharing, konnten ein E-Auto nutzen, haben einen Energieberater des Landes NÖ ins Haus geholt, kochten auch vegan, kauften regionale und biologische Lebensmittel ein, veränderten ihre Urlaubsplanung und tauchten so in die Welt eines klimafreundlichen Alltags ein.
Auszeichnung als nachhaltiges Bildungsprojekt 2021 in der Kategorie „Transformation“ (1. Platz)Die Geschichte hinter der Geschichte: Von Wissenschaftler:innen sowie Ökonominnen und Ökonomen weltweit wird die Begrenzung der Erderhitzung auf 1,5 °C als größte Herausforderung der Gegenwart gesehen. Die Staatengemeinschaft hat 2015 bei der Klimakonferenz in Paris beschlossen, diese Herausforderung anzunehmen. Bis 2050 müssen wir nahezu ohne Treibhausgasemissionen leben. Aber was heißt das schon jetzt für den Alltag in unseren Gemeinden/Städten? Wie können Einzelpersonen einen Beitrag leisten und wie groß ist dieser? Und welche Hebel braucht es auf politischer Ebene?
Warum die KlimaStory „Paris – Baden“ so gut wirkt
Menschen im Mittelpunkt: Oma und Opa, Mama und Papa, Sohn und Tochter, Freund und Freundin – 20 Familien in unterschiedlichen Lebenssituationen waren in diesem Experiment involviert. Es hat gemenschelt – und das ist eines der Erfolgsrezepte. Jede und jeder konnte sich hineinversetzen und mitfühlen.
Alltagsnah statt abstrakte Begriffe: 1,5 Grad-Ziel, CO2-Einsparungen, Klimaneutralität – beim Thema „Klima“ stehen sehr oft komplizierte Begriffe, Fachausdrücke und Mengenangaben, unter denen sich kaum wer etwas vorstellen kann, im Mittelpunkt. Bei dieser KlimaStory ging es zwar auch genau darum, aber erst in zweiter Reihe. Der Alltag und die Lebensbereiche Mobilität, Ernährung, Konsum, Strom, Wärme, Haus und Urlaub wurden in den Vordergrund gerückt.
Mitmach-Effekt: Die Basisanalyse wurde mit der App „Ein guter Tag hat 100 Punkte“ durchgeführt. Diese liefert einen schnellen Überblick, wo man steht, wer am meisten CO2 verbraucht und wo der große Hebel für eine Klimagasreduktion liegt. Interessierte können ihre CO2-Bilanz auch außerhalb des Projektes bestimmen, die kostenfreie App ist sowohl für Android als auch iOS verfügbar.
Wie Ihre Gemeinden diese KlimaStory nutzen kann
- Suchen auch Sie Menschen, die „Paris – Ihre Gemeinde“ testen wollen: Es müssen nicht 20 Familien sein. Vielleicht ist es eine Person oder auch mehrere.
- Nutzen Sie die App „Ein guter Tag hat 100 Punkte“
- Berichten Sie in Ihren Gemeindemedien: Auf der Website und/oder in der Gemeindezeitung.
Kontakt und weitere Infos zum Projekt
Klima- und Energiereferat der Stadtgemeinde Baden
Tel.: +43 2252/86800-233, energiereferat@baden.gv.at
Klima- und Energiemodellregion Baden: www.facebook.com/klima.energie.baden